Bayerischer Werkstättentag der LAG WfbM Bayern e.V.
Braucht es Arbeit für ein glückendes Leben?
Oberschleißheim. Der Bayerische Werkstättentag der Landesarbeitsgemeinschaft Werkstätten für behinderte Menschen in Bayern e. V. widmete sich in diesem Jahr der Fragestellung, ob „ohne Arbeit keine Teilhabe?“ für Menschen mit Behinderung möglich sei und versuchte dabei mit Vertretern aus der Politik, der Kostenträger und Werkstattbeschäftigten die verschiedensten Aspekte dieser Thematik zu beleuchten.
Gibt es ein Paradies ohne Arbeit
Herr Hans Horn, 1. Vorsitzender der LAG WfbM Bayern e.V., eröffnete den Werkstättentag mit einer Analogie zum biblischen Paradies und warf die Frage auf, ob ein Leben ohne Arbeit wirklich das Paradies sei.
Auch Joachim Gradl, 1. Vorsitzender der LAG Werkstatträte in Bayern, kann sich ein Leben ohne Arbeit nicht vorstellen, auch wenn er zwei Wochen Urlaub als sehr erholsam empfindet, freut er sich danach, wieder auf seinen Arbeitsplatz zurückkehren zu dürfen. Zugleich benannte er die große Angst vieler Werkstattbeschäftigter vor dem ersten Arbeitsmarkt, denn in der Werkstatt fühlen sich viele sicher und stabil. Um als Menschen mit Behinderung den Übergang auf den ersten Arbeitsmarkt zu meistern, braucht es eine intensive Betreuung. Es sollte sichergestellt sein, dass behinderte Menschen wählen können, ob sie am Arbeitsleben in der Werkstätte für Menschen mit Behinderung oder auf dem ersten Arbeitsmarkt teilhaben möchten.
Das Bundesteilhabegesetz
Josef Mederer, Präsident des Bayerischen Bezirketags und Präsident des Bezirkes Oberbayern, verwies in seinem Grußwort auf die Bedeutung des Bundesteilhabegesetzes. Es bestehe nach wie vor ein hoher Diskussionsbedarf über die Ausgestaltung dieses neuen Gesetzes. Unbestreitbar sei jedoch, dass das Thema „Teilhabe am Arbeitsleben“ ein wichtiges Element dieses Gesetzesvorhabens sein muss. Auch die Öffnung der Werkstätten für Behinderte in Richtung erster Arbeitsmarkt sei hierbei ein wichtiges Thema.
Werkstätte als Lernort
Nach den Grußworten folgte ein Vortrag von Prof. Dr. Gerd Grampp, ein ausgewiesener Experte für Rehabilitation und Bildung im Rahmen der Werkstätten für behinderte Menschen, der auf die UN Behindertenrechtskonvention und des darin formulierten Rechtes auf Arbeit und auf Ausbildung verwies. Für ihn stellt die Werkstatt „nicht nur einen Arbeitsort in einem inklusiven Arbeitssystem, sondern auch einen Lernort in einem inklusiven System lebenslanger Bildung“ dar.
Teilhabe am Arbeitsleben in zehn Jahren
Im anschließenden Fachgespräch wurde nochmals deutlich, wie komplex das Thema „Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung“ ist. Ein nach wie vor großes Problem ist etwa die Schnittstellenproblematik der Sozialgesetze, die eine Integration behinderter Menschen erschwert. Dafür ist es erforderlich, dass die gesetzlichen Vorgaben verändert werden, denn wie Helmut Roth vom Bezirk Oberbayern erläutert, ist er als Vertreter der Kostenträger bei der Genehmigung der Leistungen an diese Vorgaben gebunden. Auch müssten die Hürden für Arbeitgeber, die behinderte Menschen in ihrem Unternehmen einstellen möchten, weiter gesenkt werden und das System insgesamt flexibler gestaltet werden. Joachim Unterländer, MdL, Vorsitzender des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend, Familie und Integration, verwies darauf, dass „Grenzen im Kopf durch gute Beispiele“ abgebaut werden können. Deutlich wurde aber auch, dass trotz Vollbeschäftigung und Fachkräftemangel, es für einen nicht geringen Teil von behinderten Menschen nach wie vor schwierig ist, den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen und dass Angebote wie die der Werkstätten für Menschen mit Behinderung weiterhin dringend gebraucht werden, um Arbeit auch für diese zu ermöglichen.
Zum Abschluss des Fachgespräches blickten die Teilnehmer noch in die Zukunft, wie die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung in zehn Jahren aussehen könnte.
Alle Teilnehmer waren sich im Wesentlichen einig, dass sich die Werkstätten verändern werden, der Inklusionsgedanke weiter an Raum gewinnen wird und die Werkstätten sich noch mehr dem ersten Arbeitsmarkt öffnen werden. Allerdings werden nach Meinung von Joachim Unterländer und anderer Podiumsgäste die Arbeitsangebote der Werkstätten auch zukünftig noch erforderlich sein. Prof. Dr. Grampp verwies zum Abschluss des Gespräches noch einmal darauf, dass nach der UN Konvention Arbeitsorte für behinderte Menschen keine „Kann-Leistung“ eines Staates sind, sondern dass es diese zwingend geben muss, denn Menschen mit Behinderung haben ein Recht auf Arbeit.
Holger Steckermaier