Bayerischer Werkstättentag 2022 in Nürnberg:
Ohne Moos nichts los!
Am 11. Mai 2022 diskutierten im Berufsförderungswerk in Nürnberg rund 110 Einrichtungsleitungen und Fachkräfte aus Werkstätten für behinderte Menschen aus ganz Bayern über aktuell brennende Themen zur Finanzierung der Inklusion. Die Reform der Entgeltsystematik, der aktuelle Stand der Verhandlungen zum bayerischen Landesrahmenvertrag und die Rahmenleistungsvereinbarung für Werkstätten wurden unter die Lupe genommen.
Peter Pfann, Vorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen eröffnete den Bayerischen Werkstättentag 2022 mit diesem plakativen Motto. Die Finanzierung bilde die Grundfesten des Werkstattsystems und verbinde alle Teilnehmer der Tagung. Denn sowohl die Reform der Entgeltsystematik als auch die neue Werkstattleistung seien für Leistungsberechtigte, Leistungsträger und Leistungserbringer existenziell.
Oberbürgermeister Markus König betonte in seinem Grußwort die Rolle der Stadt Nürnberg als Stadt des Friedens und der Menschenrechte, besonders in der aktuellen Ukraine Krise. Er unterstrich, dass es einen langen Atem brauche, um Ziele der Menschrechte und Inklusion umzusetzen und die nötige Finanzierung sei hierzu wichtig. Er rief zu mehr Optimismus auf.
Bianca Hanselmann, als Vertreterin der LAG Werkstatträte Bayern, ging in Ihrem Grußwort auf die positiven Entwicklungen in der Etablierung der Landesgeschäftsstelle der Interessenvertretung der Werkstatträte ein.
In ihrem Beitrag äußerte Sie auch ihr Unverständnis für die scharfe Kritik an Werkstätten für Menschen mit Behinderung, diese würden oft völlig falsch dargestellt. Die bayerischen Werkstatträte versuchten speziell mit Katrin Langensiepen aus dem Europaparlament und Raul Krauthausen (Sozialhelden e.V.) ins Gespräch zu kommen. Beide wurden angeschrieben, zu einem Austausch ist es aber leider nicht gekommen. Um auch weiterhin sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung einen sicheren und geschützten Rahmen in den Werkstätten vorfinden, möchten die Werkstatträte ihre Aufklärungsarbeit mit der LAG WfbM intensivieren. Zur wichtigen Arbeit der Werkstatträte gehört auch die passende Unterstützung, hier wünschen sich die Werkstatträte mehr Unterstützung durch die Einrichtungen bei der Zugänglichkeit zu Videokonferenzen und bei der Stärkung der Arbeit der Vertrauenspersonen.
Der Mittelfränkische Bezirkstagspräsident Armin Kroder eröffnete den Fachpolitischen Teil mit einer engagierten Rede und starken Statements. Herr Kroder schilderte eindrücklich seine persönlichen Erfahrungen und drückte seine große Dankbarkeit für die geleistete Arbeit in Werkstätten aus. Er plädiert für Inklusion statt für Integration, auch wenn es mehr Arbeit für die Institutionen bedeute. Der Werkstattlohn sei selbst für einen Juristen nicht zu verstehen und daher ein gutes Beispiel für „Exklusion“ statt „Inklusion“. Er forderte die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen, wenn keine allgemeine Impfpflicht eingeführt werde. Zur Umsetzung des Bundesteilhabegesetztes (BTHG) sei eine Vergrößerung des behördlichen Personals zur Bearbeitung geplant, es sei zu beobachten, wie ein Bürokratieaufbau verhindert werden kann. Thomas Wedel, Geschäftsführer des Behindertenzentrum Boxdorf betonte, dass dadurch das Geld nicht direkt bei den Menschen in den Werkstäten ankäme. Die Umsetzung muss fachliche Ziele verfolgen und nicht bürokratischen Mehraufwand verursachen. Armin Kroder ging auch auf das Thema IT-Sicherheit und Digitalisierung ein und riet den Werkstätten in größeren Einheiten bei diesem Thema zu denken, was effektiver sei. Inwieweit dies von den Bezirken unterstützt wird blieb an dieser Stelle offen.
Klaus Beier, Geschäftsführer operativ und ständiger Vertreter des Vorsitzenden der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern unterstrich in seinem Beitrag, dass die Maßnahme BÜWA (Begleiteter Übergang Werkstatt – allgemeiner Arbeitsmarkt) in Bayern die Intentionen der UN-BRK und des BTHG umsetze. BÜWA müsse daher nach der Pandemie wieder Fahrt aufnehmen. Er appellierte dieses Kooperationsmodell zu nutzen und warb für rege Teilnahme am BÜWA-Fachkongress am 06. Oktober 2022 in der Stadthalle Fürth.
Dr. Jochen Walter stellvertretender Vorsitzender der BAG:WfbM und Konstantin Fischer, Referent Recht präsentierten einen Zwischenbericht zur Reform der Entgeltsystematik. Die BAG arbeitet an zwei Ideen für die Reform (Idee 1: Grundeinkommen für Werkstattbeschäftigte und Idee 2: Arbeitnehmerstatus mit Teilhabeanspruch). Am Nachmittag fand die LAG Mitgliederversammlung statt, die die Weichen für die weitere wichtige Arbeit der Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstäten in Bayern für das Jahr 2022 stellt. In Laufe des Nachmittags blieb auch die Zeit die Mitgliedschaft detailliert über den Stand der Verhandlungen zur Rahmenleistungsvereinbarung in Kenntnis zu setzen.
Die LAG WfbM Bayern vertritt 91 Träger von Werkstätten für behinderte Menschen mit teilweise mehreren Haupt- und Zweigwerkstätten, Tagesförderstätten und andere Leistungsanbietern. Die Träger bieten insgesamt für mehr als 40.000 Menschen mit geistiger, körperlicher, psychischer oder Sinnes-Behinderung berufliche Bildung, berufliche Rehabilitation und Teilhabe am Arbeitsleben sowie Teilhabe an der Gemeinschaft in den angegliederten Förderstätten.