Wenn wir nicht gesehen werden...
„Wenn wir nicht gesehen werden, wenn wir nicht gehört werden, dann werden wir auch nicht wahrgenommen“ – Roland Weber, ehemaliger Vorsitzender der Bundesvereinigung der Werkstatträte, erhält Bundesverdienstkreuz
Bundespräsident Herr Frank-Walter Steinmeier hat Herrn Roland Weber am 18.02.2020 die Verdienstmedaille des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Die erfreuliche Nachricht erreichte Hr. Weber mitten im Corona-Lockdown und hat so einige Weggefährten / Innen und Werkstatträte / Innen sehr positiv gestimmt. Die offizielle Verleihung fand nun am 08.06.2020 im Nürnberger Rathaus statt. Dies war die erste Ehrung des neugewählten Oberbürgermeisters König, der auch die Laudatio hielt.
Das Berufsleben von Herrn Roland Weber begann, wie er sagte, an der frischen Luft als Maurer. Roland Weber war u.a. über 10 Jahre als Jugendherbergsvater und ab 1991 als Krankenpfleger und Stationsleiter in der Akut-Psychiatrie tätig. 1999 wurde er dauerhaft arbeitsunfähig. 2003 nahm er eine Beschäftigung in der Nürnberger Werkstatt für Menschen mit einer psychischen Erkrankung, der Arbewe gemeinnützige GmbH, auf. Seit 2005 war Herr Weber als Werkstattrat der „Arbewe gemeinnützige GmbH“ tätig. Sein Werkstattleiter, Herr G. Fischer, motivierte und unterstützte ihn, dieses Ehrenamt anzunehmen nachdem er von seinen Kollegen/Innen gewählt wurde. Seine Gesundheit lies auch immer mehr zu.
2007 ging es das erste Mal nach Berlin zur Werkstatträte Konferenz der SPD. Dann 2008 ging es nach Bremen zu seinem ersten Werkstätten Tag der BAG-WfBM. Her Weber stellte fest, da waren sie, die gut organisierten Werkstatträtinnen und -räte aus den anderen Bundesländern. Die hatten etwas, was es in Bayern damals noch nicht gab. Trotz der UN-BRK, die ja damals für die Bundesrepublik in Kraft getreten ist.
Im Anschluss wurde die Selbstvertretung der Werkstatträtinnen und -räte auf der bayrischen Landesebene immer aktiver betrieben. Die noch fehlenden Arbeitskreise auf den sieben Bezirksebenen wurden gegründet. Herr Hiltl, der damalige Vorsitzende der LAG-WfBM Bayern, unterstützte denn Gründungsgedanken der Werkstatträtinnen und -räte.
2009 war es soweit, die LAG-WR-Bayern wurde gegründet. Herr Gradl wurde als Stellvertreter und Herr Weber wurde als Vorsitzender der „Landesarbeitsgemeinschaft der Werkstatträte Bayern“ gewählt.
Es begann eine neue Ära für die Werkstattbeschäftigten in Bayern. Durch die Gründung, der LAG-WR-Bayerns 2009 wurde auch Bayern in der „Bundesvereinigung der Werkstatträte“ (BVWR, heute Werkstatträte Deutschland) aktiv vertreten. Hr. Weber war der Motor für den Aufbau einer bayern weiten Selbstvertretung der Werkstatträte, verbunden mit viel Sitzungs- und Reisetätigkeit. Vor allem setzte sich Herr Weber dafür ein, dass „die Politiker und -Innen“ direkt mit den Betroffenen besser ins Gespräch kamen und nicht mehr alle Entscheidungen über deren Köpfe hinweg getroffen werden. Hierfür nahm er an vielen Diskussions- und Gesprächsrunden teil bzw. initiierte diese.
So organisierte er beispielsweise 2007 die 1. Nürnberger Werkstatträte Konferenz. 2011 die erste gesamtbayerische Werkstatträte-Konferenz mit seinen Kolleginnen und Kollegen der LAG-WR, in Nürnberg. Dieser Gedanke, so sagte er, sollte auf die Bundesebene der Werkstatträte getragen werden. Ziel war es, einen Bundeskongress zu veranstalten. Mit dem Ziel, die bessere Vernetzung der Werkstatträte voran zu bringen. Aber auch die Auswertungen der ersten Umfrage in allen bayerischen Werkstätten zur Arbeit der Werkstatträte wurden öffentlich diskutiert.
Sein Arbeitsbereich war nun zwischen Bayern, Berlin und dem Rest der Bundesrepublik. Treffen mit den Verbände-Vertreter-Innen im vierteljährlichen Modus. Zusammenarbeit mit der BAG-WfBM oder dabei sein bei den Braunschweiger Gesprächen. Natürlich dürfen wir die Werkstätten-Messe, die alljährlich in Nürnberg stattfand, nicht vergessen.
Die Zeit in Berlin als Bundesvorsitzender, es gab viele wichtige Termine, doch einer der schönsten Termine, sagte Roland Weber, war der 12.06.2013 mit Frau Sylvia Schmidt und Herr Walter Steinermeier, gemeinsam diskutierten sie auf dem Podium. Denn ein wichtiger Ansprechpartner war Herr Steinmeier schon immer.
In seiner Heimatstadt Nürnberg begannen zwischenzeitlich 2008 die Aktivitäten für einen Behindertenrat. Einige Menschen und Herr Weber setzten diesen Gedanken um. 2010 wurde ein Behindertenrat in Nürnberg gewählt. Herr Weber wurde als 1. Vorsitzender von 40 Personen bestimmt. Es war eine kurze Amtszeit. Denn Hr. Weber hatte mittlerweile auch den Vorsitz der Bundesvereinigung Werkstatträte Deutschland inne und die doppelte Belastung wurde zugunsten Berlin und für den Bundesvorsitz in der BVWR entschieden. Dennoch begleitete Hr. Weber den Themenbereich „Arbeit und Soziales“ von Anfang an mit den Nürnberger Kolleginnen und Kollegen im neu gewählten Behindertenrat.
Dann, so sagte Herr Weber, kam viel zu früh die Altersrente.
Seit seinem Renteneintritt 2015 bietet Herr Weber mit Frau C. Fischer auf Anfrage immer wieder Schulungen zur Selbstvertretung für Werkstatträte an. Er wurde 2017 als stv. Sachverständiger für Menschen mit Behinderung im Sozialausschuss des Bezirks Mittelfranken bestellt. Seit 2018 ist er im Rahmen der EUTB (Ergänzende Unabhängige Teilhabe Beratung) als Peer-Berater tätig. Ebenfalls seit 2018 gehört er als einer der fünf Vertreter der Nürnberger Vorstandsmitglieder dem Behindertenrat des Bezirks Mittelfranken an.
Herr Weber ist bis zum heutigen Tag aktiv im Behindertenrat der Stadt Nürnberg. Er nahm seit 2010 an Sitzungen teil und brachte sich sowohl im Plenum als auch in der Ausschussarbeit couragiert ein.
Er arbeitet intensiv daran, dass Menschen mit Behinderung am sog. „ersten Arbeitsmarkt“ Fuß fassen können und somit eine gewisse Chancengleichheit erreicht werden kann. Er führt zahlreiche Gespräche auf unterschiedlichen Ebenen, um für dieses Thema zu sensibilisieren. Seit 2015 ist er Vorsitzender des Ausschusses „Arbeit und Soziales“ (Nürnberger Behindertenrat). Für diese Position war und ist seine langjährige Erfahrung, die er aus seinen Tätigkeiten im Bereich der Werkstatträtearbeit mitbringt, sehr gewinnbringend. Das Thema Arbeit für Menschen mit Behinderung ist für Herrn Weber eine Herzensangelegenheit.
Auch in Bezug auf die Konsequenzen des neu beschlossenen Bundesteilhabegesetzes (BTHG) engagiert sich Herr Weber sehr für den Behindertenrat und organisierte mit anderen Personen der Behindertenarbeit in Mittelfranken verschiedene Informations- und Diskussionsveranstaltungen für Betroffene.
Aus der Situation heraus, weil das Thema Menschen mit Behinderung im öffentlichen Raum für die Zeitungen oftmals nicht so interessant war, suchte und fand Herr Weber eine Möglichkeit. Er wollte mehr Öffentlichkeit für alle herstellen.
Seit 2008 wirkt Roland Weber auch ehrenamtlich beim Rundfunk-Programm „Radio Handicap“ im freien Radio Z mit. Bei einer Sendung. Unbehindert unsere Meinung sagen zu können, ist etwas Wunderbares, sagte Herr Weber.
Ein Satz begleitet ihn die ganze Zeit bei seiner Arbeit, der lautet:
„Wenn wir nicht gesehen werden, wenn wir nicht gehört werden dann werden wir auch nicht wahrgenommen“
Die letzten Worte der Laudatio waren: „Roland Weber hat sich um die Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung in Werkstätten im Speziellen sowie um die Inklusion von Menschen mit Behinderung in dieser Gesellschaft im Allgemeinen große Verdienste um das Gemeinwohl erworben.“
Die Auszeichnung geht zurück auf den Vorschlag von Jürgen Linnemann aus Gütersloh. Werkstattrat vor Ort und auch auf Landesebene seit Jahren unterwegs. Er ist ein Werkstattrat, dem die Arbeit liegt. Ein wichtiger Partner zum Thema selbstbestimmtes Leben. Nicht umsonst wurde Jürgen Linnemann und der Werkstattrat der wertkreis Gütersloh gGmbH vor einigen Jahren für den Deutschen-Engagement Preis nominiert. Im Rahmen eines von der Aktion Mensch geförderten Modellprojekts des Behindertenverbands ISL ist Herr Linnemann (46) zudem einer von 20 Inklusionsbotschaftern in Deutschland. Als Assistenz steht dem Vorsitzenden des Gesamtwerkstattrats beim Wertkreis Gütersloh Patricia Smead-Füchte zur Seite. Die Sozialpädagogin unterstützt Linnemann auch bei seiner neuen Aufgabe.
Die Beispiele von Herr Weber und Herr Linnemann zeigen auf ganz wunderbare Weise, was Engagement von und für Menschen mit Behinderungen so alles bewirken kann.
Text: Viviane Schachler und Roland Weber
Mittelfranken, 19.06.2020